יום חמישי, 30 באוגוסט 2012

"Der weiße Rabe": Halbtotale in die Vergangenheit

Max Mannheimer, geboren 1920 im damaligen Sudetenland, ist ein faszinierender Mensch. Er hat die Lager Auschwitz, Dachau und Mühldorf überlebt. Er besitzt einen bissigen Humor, künstlerisches Talent und hat eine spannende Lebensgeschichte zu erzählen, die er als Zeitzeuge vor jungen Menschen eindrucksvoll zu vermitteln weiß. Doch von alldem kommt in Carolin Ottos Dokumentarfilm Der weiße Rabe, der diese Woche in den Kinos anläuft, leider wenig rüber.

Gleich zu Beginn des Films verrät Carolin Otto den Zuschauern, dass sie mit Mannheimer eng befreundet ist. Diese Freundschaft war auch ihre Motivation für diese Produktion. Doch vor lauter Nähe zu dem Porträtierten scheint der Filmemacherin die Professionalität abhandengekommen zu sein.

Da sieht man beispielsweise Mannheimer in der Gedenkstätte Auschwitz stehen. Er erzählt von den Schrecken des Vernichtungslagers. Aber man kann seine Gefühle kaum lesen. Nicht, weil er keine hätte, sondern weil die Kamera ihn aus der Halbtotalen filmt, eine Einstellung, die ausgerechnet in einem der bewegendsten Momente Distanz zwischen dem Erzähler und den Zuschauern schafft. In einer anderen Szene stehen Mannheimer und Otto unter dem Fenster der Werkstatt, in der Mannheimers Bruder in einem KZ arbeitete und von wo er den anderen heimlich Brot zuwarf. Während Mannheimer das berichtet, fährt die Kamera an das Fenster ran und von dort ungelenk wieder zurück zu dem Erzählenden – der immer noch am Sprechen ist. Ein Fehler, der Filmstudenten im ersten Semester unterlaufen kann, nicht aber einer erfahrenen Regisseurin, die ein bisschen was von Schnitttechnik verstehen sollte.

Schlechte Kameraarbeit ist aber nicht das einzige Problem des Films. Offenbar hat Carolin Otto nicht begriffen (oder vergessen), dass ein Dokumentarfilm sich zwar an die Fakten halten muss, er aber in der Wahl der Mittel, diese Fakten zu zeigen, künstlerisch frei sein darf und soll. Lange, eingefrorene Einstellungen auf Menschen, die in die Kamera reden, überfordern die Aufmerksamkeitsspanne des Zuschauers. So interessant das, was dort erzählt wird, sein mag: Der Mangel an visueller Unterbrechung der langen Monologe ist fast unerträglich. Und der einzige Moment, in dem sanfte Musik ertönt, unterstreicht nur, dass es ansonsten den ganzen Film über an akustischer Untermalung fehlt.

Das eigentliche Dilemma dieses Films ist, dass er sich zu viel vorgenommen hat. Carolin Otto wollte Max Mannheimers Leben im Lager zeigen, seine Aufklärungsarbeit als Zeitzeuge in Schulen, sein Privatleben, seine künstlerische Tätigkeit. In ihrem Ehrgeiz, nichts auszulassen, hat sie ihr eigentliches Thema übersehen – Max Mannheimer.

Jüdische Allgemeine, 10.12.2009

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